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Philofit: Mit Kindern philosophieren

In der Rubrik «Zyklus 1 im Fokus» stellen wir Ihnen Lehrmittel vor, die auf die Bedürfnisse der heutigen Schulpraxis abgestimmt sind – entwickelt von Fachpersonen aus der Praxis, erprobt im Schulalltag und gestaltet für einen motivierenden Einsatz im Unterricht. Sie gewinnen Einblick in zentrale Inhalte, lernen den Aufbau kennen und bekommen hilfreiche Tipps für die Umsetzung mit Ihrer Klasse.

Was bedeutet es, glücklich zu sein? Was braucht es für eine faire Entscheidung? Können Tiere traurig sein? Solche grundlegenden Fragen beschäftigen Erwachsene wie auch Kinder tagtäglich. Auf der Basis solcher Überlegungen und der Freude an lebendigen Diskussionen ist ein neues Lehrmittel entstanden: Philofit! Es bietet einen kompetenzorientierten Einstieg in die spannende Welt des Philosophierens mit Kindern im Zyklus 1 und 2. Entwickelt wurde das Lehrmittel von Christoph Buchs und Hubert Schnüriger. Beide sind an der Fachstelle «Philosophieren mit Kindern» (PmK) der PH FHNW tätig.

 

Gehört das Philosophieren in den Kindergarten und in die Primarschule?

Damit eine Thematik oder Kompetenz für die allgemeinbildende Schule relevant ist, muss sie gewisse Merkmale erfüllen: Sie muss grundlegend und für ein selbstbestimmtes und verantwortliches Leben wichtig oder gar unverzichtbar sein. Trifft das auch auf philosophische Kompetenzen zu?

Die grundlegenden Fragen eines selbstbestimmten Lebens

Philosophische Themen betreffen Meinungen und Begriffe, die so grundlegend und allgemein sind, dass sie Denken, Sprechen und Handeln überhaupt erst ermöglichen und prägen. Grundlegende Meinungen und Begriffe haben somit eine Orientierungsfunktion, nach denen sich Kinder und Erwachsene in ihrem Denken und Handeln – oft unbewusst – ausrichten. Menschen, die selbstbestimmt und verantwortlich denken und handeln wollen, können ihre Ziele, Orientierungen und Meinungen auf ihre Güte oder Glaubhaftigkeit prüfen und somit zu begründeten Wünschen, Handlungen und Meinungen gelangen.

Philosophische Reflexionskompetenzen

Steht ein selbstbestimmtes Leben im Fokus, so können Kinder und wir Erwachsene es nicht anderen überlassen, zu ergründen und zu bestimmen, was ein gutes Leben bedeutet, welche moralischen Regeln des Zusammenlebens gelten sollen oder wie weit menschliche Erkenntnis reicht. Das Klären- und Ergründen-Können solch grundlegender Fragen erfordert bestimmte philosophische Reflexionskompetenzen, welche Kinder allererst erlernen müssen. Es sind die allgemeinbildenden Schulen, die diese grundlegenden, für das Führen eines selbstbestimmten Lebens unverzichtbaren Kompetenzen vermitteln.

Was ist Philofit und welche Kompetenzen fördert das Lehrmittel?

Philofit besteht aus drei Teilen: einem Grundlagenband, 52 Impulsen aus 8 Themengebieten und dem digitalen Philofit-Training. Der Grundlagenband liefert didaktische und methodische Hintergrundinformationen zum Philosophieren mit Kindern, greift die häufigsten Stolpersteine auf und gibt nützliche Hinweise zur Differenzierung. Das Herzstück des Lehrmittels bilden die philosophischen Impulse. Sie bestehen aus einer Geschichte oder einer Anregung, die die Kinder in das Thema einführt. Eine Sachanalyse fasst die wichtigsten Aspekte des Themas für die Lehrperson zusammen. Anhand von Fragen und Aufträgen findet der gemeinsame Einstieg statt. Anschliessend leitet die Lehrperson mit vorgeschlagenen oder eigenen Impulsfragen die philosophische Diskussion. Das digitale Philofit-Training bietet Trainingseinheiten, mit denen die Kinder ihre erlernten philosophischen Kompetenzen vertiefen können. Zusammen mit weiteren zusätzlichen Materialien ist es im Downloadcenter des INGOLDVerlags verfügbar.

 

Wie Philosophieren Ihre Kinder vielseitig stärkt

Philosophieren fordert und fördert die Kinder sowohl in überfachlichen als auch fachlichen Kompetenzen. Da Philosophieren eine anspruchsvolle und intensive sprachliche Tätigkeit darstellt, bietet der PmK-Unterricht grosses Potenzial, diverse sprachliche Kompetenzen gemäss Lehrplan 21 zu fördern und zu trainieren. Philosophieren ist eine essenzielle Methode, um Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken und ihnen Werkzeuge für ein reflektiertes und bewusstes Leben mitzugeben.

  • Kritisches Denken: Philosophieren ist mehr als ein Meinungsaustausch. Philosophie lehrt Kinder, über Fragen nachzudenken, Meinungen und Positionen im mündlichen oder schriftlichen Dialog mit anderen zu begründen und Argumente mit Gegenbeispielen und Einwänden herauszufordern. Ziele, Orientierungen und Meinungen werden auf ihre Güte und Glaubhaftigkeit überprüft.  
  • Sprach- und Ausdrucksfähigkeit: Kinder üben, philosophische Fragen erkennen und stellen und philosophische Meinungen und Positionen (bei sich) wahrnehmen und klar formulieren zu können. Weiter lernen sie, den Mitschülerinnen und Mitschülern zuzuhören und auf die gehörten Beiträge einzugehen. Dies fördert ihre Kommunikationsfähigkeit und stärkt ihr Sprachbewusstsein. 
  • Soziale Kompetenzen: Indem Kinder über Themen wie Freundschaft, Gerechtigkeit und Glück nachdenken, entwickeln sie ein tieferes Verständnis für andere Menschen, Lebewesen und die Umwelt. Das Philosophieren unterstützt eine respektvolle Diskussionskultur und fördert die Empathie.
  • Neugier: Kinder sind von Natur aus neugierig. Die Philosophie nimmt ihre Fragen ernst und zeigt ihnen, dass ihre Gedanken wertvoll sind. Dies stärkt ihr Selbstvertrauen und ermutigt sie, weiterzufragen und eigenständig zu denken.
  • Entwicklung persönlicher Werte: Beim Philosophieren gibt es kein «richtig» oder «falsch». Kinder dürfen frei denken, Hypothesen aufstellen und ungewöhnliche Ideen ausprobieren. Das Auseinandersetzen mit philosophischen Fragestellungen hilft den Kindern, ihre eigenen Werte zu entwickeln.

 

Unsere Tipps für einen gelungenen Einsatz von Philofit

Damit das Philosophieren im Unterricht gelingt, braucht es eine gute Vorbereitung, die richtige Haltung und vor allem Raum für kindliches Denken. In diesem Kapitel geben wir Ihnen konkrete Tipps, wie Sie philosophische Gespräche erfolgreich in Ihren Unterricht integrieren können.

 

Tipp 1: Zusammenarbeit im Safe Place

Für das Gelingen philosophischer Gespräche ist ein sogenannter Safe Place wichtig: Die Kinder wissen und spüren, dass ihnen innerhalb solcher Runden nichts passieren kann und dass sie sich frei äussern können, ohne dadurch negative Konsequenzen zu erfahren. Drei Regeln sind zentral, damit die Gesprächsrunden als ein Safe Place wahrgenommen werden können:

  • Redefreiheit: Die Kinder dürfen frei alles sagen, was sie denken. Ausnahmen sind Beiträge, welche andere verletzen (Herabsetzung, Drohung, Extremismus usw.).
  • Einander zuhören und aufeinander eingehen: Die Kinder versuchen, an Beiträge anzuschliessen durch Bestätigung, Erweiterung, Herausforderung bzw. Kritik.
  • Beim Thema bleiben: Die Kinder üben, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und ausdauernd und diszipliniert daran zu arbeiten.

 

Tipp 2: Alltagsfragen nutzen – philosophische Anlässe erkennen

Philofit kann in den aktuellen, übergeordneten NMG-Unterricht integriert werden. Das heisst, dass der PmK-Unterricht nicht regelmässig stattfindet, sondern er wird speziell für die philosophische Reflexion des aktuellen NMG-Themas einer umfangreichen Unterrichtsreihe eingesetzt. Oder Sie verankern PmK fix im Wochenstundenplan und reservieren dafür z. B. eine NMG- oder Deutsch-Lektion.

Auch viele alltägliche Situationen liefern wunderbare Gesprächsanlässe für philosophische Reflexionen. Nutzen Sie Streitgespräche auf dem Pausenplatz, Fragen beim Znüni oder Beobachtungen aus Bilderbüchern als Türöffner für tiefergehende Denkprozesse. PmK lässt sich dadurch ganz organisch in den Schulalltag einbetten.

 

Tipp 3: Offenheit statt Antworten – die Haltung der Lehrperson

Beim Philosophieren geht es nicht darum, richtige Antworten zu finden, sondern gute Fragen zu stellen und gemeinsam nachzudenken. Als Lehrperson dürfen Sie sich bewusst zurücknehmen, statt Wissen zu vermitteln. Zeigen Sie Interesse an den Gedanken der Kinder, greifen Sie ihre Aussagen auf und geben Sie Denkanstösse, ohne zu werten. Diese Haltung fördert Vertrauen und regt echte Reflexion an.

 

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